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Notizen zur Fotografie

Filmentwicklung in Kaffee

Spätestens seit 1995 ist bekannt, dass Kaffee silberhalogenidhaltige Schichten entwickeln kann 1. In einschlägigen Diskussionsforen finden sich seither diverse lange Threads zu diesem Thema, vereinzelt mit Bildbeispielen.

Immer an kuriosen Randgebieten interessiert, habe nun auch ich meinen ersten Film mit Kaffee entwickelt – und um es vorwegzunehmen: es wird nicht der letzte gewesen sein.

1. Testaufbau

Für den Versuch habe ich zwei Rollen Ilford FP4 plus belichtet (Belichtungsreihen mit und ohne Testtafeln): Eine zur Entwicklung in Kaffe, die andere zum Vergleich in Agfa Rodinal.

© Martin Frech: Vorbereitung der Filmentwicklung mit Kaffee (Caffenol)

© Martin Frech: Vorbereitung der Filmentwicklung mit Kaffee (Caffenol)

Das Rezept für den Kaffee-Entwickler – Einmalentwickler nach den Angaben für Caffenol bei digitaltruth 2 – ist simpel:

Wirksam für die Entwicklung ist im Kaffee nicht das Koffein, sondern die Kaffee­säure. Ein Blick auf deren Strukturformel offenbart sofort Ähnlichkeiten mit Brenzcatechin, einer altbekannten Entwicklersubstanz 3 (Pyro).
Das Soda wird benötigt zur Herstellung und Pufferung der alkalischen Lösung.

Ich habe das Kaffee- und das Sodapulver vermischt und mit etwa 27 °C warmem Wasser angesetzt, es jedoch versäumt, die Brühe auf die üblichen 20 °C runter­zukühlen.
Den Film habe ich direkt anschließend 25 Minuten lang entwickelt; dabei in der ersten Minute ständig und dann alle 30 Sekunden zweimal gekippt. Gestoppt habe ich wie üblich mit Wasser, fixiert in einem alkalischen Fixierbad.

© Martin Frech: Die in Rodinal (li.) und Caffenol (re.) entwickelten Negative auf der Leuchtplatte.

© Martin Frech: Die in Rodinal (li.) und Caffenol (re.) entwickelten Negative auf der Leuchtplatte.

2. Ergebnisse

© Martin Frech: Testbild auf FP4 plus, entwickelt in Caffenol

© Martin Frech: Testbild auf FP4 plus, entwickelt in Caffenol

© Martin Frech: Testbild auf FP4 plus, entwickelt in Rodinal 1+50

© Martin Frech: Testbild auf FP4 plus, entwickelt in Rodinal 1+50

3. Ausblick

Beim nächsten Mal werde ich zuerst das Soda komplett auflösen bevor ich den Kaffee einrühre.
Wie groß der Einfluß der Temperatur bei der Entwicklung mit Caffenol ist, weiß ich nicht. Verschiedene Quellen geben unterschiedliche Empfehlungen; ich werde mit den klassischen 20 °C weiterarbeiten.
Der Grad der Färbung soll von der Kaffeesorte und der Entwicklungszeit abhängig sein. Den Kaffee werde ich nicht wechseln – die Entwicklungszeit kann jedoch durch Zugabe von 2 g Vitamin C zu obigem Rezept (das gibt dann Caffenol C) deutlich auf etwa 12 Minuten verkürzt werden. Die Färbung soll dann fast verschwinden.

Den Fixierer ebenfalls durch etwas haushaltsübliches zu ersetzen, ist kaum möglich. Man könnte den Film zwar, wie weiland William Talbot seine Kalotypien, in Salz­wasser baden. Das wäre jedoch keine dauerhafte Fixage, da die Silbersalze dabei nur in Silberchloride umgewandelt werden würden, die schwer löslich sind und daher in der Schlußwässerung kaum auswaschbar wären; die Schicht würde mit der Zeit schwarz werden. Schon Talbot hat daher bald (auf John Herschels Rat) mit Thiosulfat fixiert.

Für Caffenol gibt es neben Caffenol C noch Varianten zur bildmäßigen Entwicklung von Mikrofilmen (Caffenol LC und Caffenol LC+C). Die Zugabe von Salz zu Caffenol ergibt Caffenol Plus; die sichtbare Körnigkeit und der Schleier sollen damit reduziert werden.

Neben Kaffe gibt es noch andere mehr oder weniger haushaltsübliche Substanzen, die zur Filmentwicklung genutzt werden können, beispielsweise der schmerz­lindernde und fieber­senkende Arznei­stoff Acetaminophen/Paracetamol. Dessen Strukturformel hat Ähnlichkeiten mit p-Aminophenol, der entwicklungs­wirksamen Zutat in Agfa Rodinal. Der Entsprechende alternative Entwickler ist unter dem Namen PaRodinal bekannt; ein Rezept findet sich auf den Seiten von Donald Qualls 4, die Entwicklungszeiten entsprechen denen von Rodinal. Bei flickr gibt es eine Gruppe zu diesem Thema 5. Eine allgemeinere Gruppe, die alle alternativen Entwickler umfasst, ist die homemade soup-Gruppe 6.


1
Williams, Scott: A Use for that Last Cup of Coffee: Film and Paper Development. Online verfügbar. URL: http://www.rit.edu/˜andpph/text-coffee.html [2007-09-29]
umgezogen: ↬ https://people.rit.edu/andpph/text-coffee.html [2020-06-11]
(Das ist die online-Version ohne Bilder eines Textes, der 1995 in der Zeitschrift Darkroom & Creative Camera Techniques erschienen ist.)
2
http://www.digitaltruth.com/techdata/caffenol.php [2007-09-29; nicht mehr da]
umgezogen und Rezept leicht geändert: ↬ https://www.digitaltruth.com/data/formula.php?FormulaID=169 [2020-06-11]
3
Junge, Karl-Wilhelm und Hübner, Günter: Fotografische Chemie. Aus Theorie uns Praxis. 5. verb. Aufl. Leipzig: VEB Fotokinoverlag, 1989.
4
http://silent1.home.netcom.com/Photography/Dilutions%20and%20Times.html#Parodinal [2007-09-29; nicht mehr da]
Alex Bishop-Thorpe hat Qualls Rezept gesichert: Film Developer Recipe: PaRodinal. Online verfügbar. ↬ https://www.analoguelab.com.au/film-developer-recipe-parodinal/ [2020-06-11]

Nachtrag:
Ich habe einen weiteren Film mit Caffenol entwickelt und die Ergebnisse aufgeschrieben: → Kodak TMZ in Kaffee.


Zitierempfehlung:
Frech, Martin: Filmentwicklung in Kaffee. In: Notizen zur Fotografie, 2007-09-30. Online: https://nzf.medienfrech.de/NzF/2007-09-30/Filmentwicklung-in-Kaffee.html [Abrufdatum]