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Film­ent­wick­lung in Kaf­fee

Martin Frech

Spä­tes­tens seit 1995 ist be­kannt, dass Kaf­fee sil­ber­ha­lo­ge­nid­hal­ti­ge Schich­ten ent­wick­eln kann⁠ [1]. In ein­schlä­gi­gen Dis­kus­si­ons­fo­ren fin­den sich seit­her di­ver­se lan­ge Threads zu die­sem The­ma, ver­ein­zelt mit Bild­bei­spie­len.

Immer an ku­ri­os­en Rand­ge­bie­ten in­te­r­es­siert, habe nun auch ich mei­nen ers­ten Film mit Kaf­fee ent­wick­elt – und um es vor­weg­zu­neh­men: es wird nicht der letz­te ge­we­sen sein.

1. Testaufbau

Für den Ver­such habe ich zwei Rol­len Ilford FP4 plus be­lich­tet (Be­lich­tungs­reihen mit und ohne Test­ta­feln): Ei­ne zur Ent­wick­lung in Kaf­fee, die an­de­re zum Ver­gleich in Agfa Ro­di­nal.

Stilleben mit Entwicklungsdose, Meßbecher, Mensur, einem Glas mit Instant-Kaffeepulver, einem Beutel Waschsoda und einer Rolle Vitamin-C-Tabeletten sowie einem belichteten Rollfilm (Farbbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Zu­be­hör für die Film­ent­wick­lung mit Kaf­fee (Caffe­nol)
(Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Stilleben mit Entwicklungsdose, Meßbecher, Mensur, einem Glas mit Instant-Kaffeepulver, einem Beutel Waschsoda und einer Rolle Vitamin-C-Tabeletten sowie einem belichteten Rollfilm (Farbbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)

Das Re­zept für den Kaf­fee-Ent­wick­ler – Ein­mal­ent­wick­ler nach den An­ga­ben für Caffe­nol bei digital­truth⁠ [2] – ist sim­pel:

Wirk­sam für die Ent­wick­lung ist im Kaf­fee nicht das Kof­fe­in, son­dern die Kaf­fee­säu­re. Ein Blick auf de­ren Struk­tur­for­mel of­fen­bart so­fort Ähn­lich­keit­en mit Brenz­cate­chin, der alt­be­kan­nten Ent­wick­ler­sub­stanz.⁠ [3]
Das Soda wird be­nö­tigt zur Her­stel­lung und Puf­fer­ung der al­ka­li­schen Lö­sung.

Ich habe das Kaf­fee- und das So­da­pul­ver ver­mischt und mit etwa 27 °C war­mem Was­ser an­ge­setzt, es je­doch ver­säumt, die Brü­he auf die üb­li­chen 20 °C run­ter­zu­küh­len.
Den Film habe ich di­rekt an­schlie­ßend 25 Mi­nu­ten lang ent­wick­elt; da­bei in der ers­ten Mi­nu­te stän­dig und dann alle 30 Se­kun­den zwei­mal ge­kippt. Ge­stoppt habe ich wie üb­lich mit Was­ser, fi­xiert in ei­nem al­ka­li­schen Fi­xier­bad.

Zwei Streifen mit Mittelformat-Schwarzweißnegativen nebeneinander auf einer Leuchtplatte. Beide Negative zeigene mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl. Die Negative links sehen normal aus, der rechte Streifen ist unregelmäßig braun gefärbt. (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Die in Ro­di­nal (li.) und Caffe­nol (re.) ent­wick­el­ten Ne­ga­tive auf der Leucht­platte.
(Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Zwei Streifen mit Mittelformat-Schwarzweißnegativen nebeneinander auf einer Leuchtplatte. Beide Negative zeigene mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl. Die Negative links sehen normal aus, der rechte Streifen ist unregelmäßig braun gefärbt. (Foto: Martin Frech, 9/2007)

2. Ergebnisse

Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Negativ­scan: Test­bild auf FP4 plus, ent­wick­elt in Caffe­nol (Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Negativ­scan: Test­bild auf FP4 plus, ent­wick­elt in Ro­di­nal 1+50 (Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)

3. Ausblick

Beim nächs­ten Mal wer­de ich zu­erst das Soda kom­plett auf­lös­en be­vor ich den Kaf­fee ein­rüh­re.
Wie groß der Ein­fluss der Tem­pe­ra­tur bei der Ent­wick­lung mit Caffe­nol ist, weiß ich nicht. Ver­schie­de­ne Quel­len ge­ben un­ter­schied­liche Emp­feh­lung­en; ich wer­de mit den klas­sisch­en 20 °C wei­ter­ar­bei­ten.
Der Grad der Fär­bung soll von der Kaf­fee­sor­te und der Ent­wick­lungs­zeit ab­hän­gig sein. Den Kaf­fee wer­de ich nicht wech­seln – die Ent­wick­lungs­zeit kann je­doch durch Zu­ga­be von 2 g Vi­ta­min C zu obi­gem Re­zept (das gibt dann Caffe­nol C) deut­lich auf etwa 12 Mi­nu­ten ver­kürzt wer­den. Die Fär­bung soll dann fast ver­schwin­den.

Den Fi­xier­er eben­falls durch et­was haus­halts­üb­li­ches zu er­setz­en, ist kaum mög­lich. Man könn­te den Film zwar, wie wei­land Wil­liam Tal­bot sei­ne Ka­lo­ty­pien, in Salz­was­ser ba­den. Das wä­re je­doch kei­ne dau­er­haf­te Fi­xa­ge, da die Sil­ber­salze da­bei nur in Sil­ber­chlo­ri­de um­ge­wan­delt wer­den wür­den, die schwer lös­lich sind und da­her in der Schluss­wäs­se­rung kaum aus­wasch­bar wä­ren; die Schicht wür­de mit der Zeit schwarz wer­den. Schon Tal­bot hat da­her bald (auf John Her­schels Rat) mit Thio­sul­fat fi­xiert.

Für Caffe­nol gibt es ne­ben Caffe­nol C noch Va­ri­an­ten zur bild­mäßi­gen Ent­wick­lung von Mi­kro­fil­men (Caffe­nol LC und Caffe­nol LC+C). Die Zu­ga­be von Salz zu Caffe­nol er­gibt Caffe­nol Plus; die sicht­ba­re Kör­nig­keit und der Schlei­er sol­len da­mit re­du­ziert wer­den.

Ne­ben Kaf­fee gibt es noch an­de­re mehr oder we­ni­ger haus­halts­üb­li­che Sub­stan­zen, die zur Film­ent­wick­lung ge­nutzt wer­den kön­nen, bei­spiels­wei­se der schmerz­lin­dern­de und fieber­sen­ken­de Arz­nei­stoff Ace­ta­mi­no­phen/Pa­ra­ce­ta­mol. Des­sen Struk­tur­for­mel hat Ähn­lich­keit­en mit p-Amino­phe­nol, der ent­wick­lungs­wirk­sa­men Zu­tat in Agfa Ro­di­nal. Der Ent­spre­chen­de al­ter­na­ti­ve Ent­wick­ler ist un­ter dem Na­men Pa­Ro­di­nal be­kannt; ein Re­zept fin­det sich auf den Sei­ten von Do­nald Qualls⁠ [4], die Ent­wick­lungs­zei­ten ent­spre­chen de­nen von Ro­di­nal. Bei flickr gibt es ei­ne Grup­pe zu die­sem The­ma⁠ [5]. Ei­ne all­ge­mei­ne­re Grup­pe, die alle al­ter­na­ti­ven Ent­wick­ler um­fasst, ist die home­made soup-Grup­pe⁠ [6].


Fußnoten.
1Wil­liams, Scott: A Use for that Last Cup of Cof­fee: Film and Paper De­vel­op­ment. On­line ver­füg­bar. URL: http://www.rit.edu/˜andpph/text-coffee.html [2007-09-29]
um­ge­zo­gen: ⁠ ⁠people.rit.edu/andpph/text-coffee.html [2020-06-11]
(Das ist die on­line-Ver­si­on ohne Bil­der ei­nes Tex­tes, der 1995 in der Zeit­schrift Dark­room & Cre­a­tive Cam­era Tech­niques er­schie­nen ist.)
2http://www.digitaltruth.com/techdata/caffenol.php [2007-09-29; nicht mehr da]
um­ge­zo­gen und Re­zept leicht ge­än­dert: ⁠ ⁠digitaltruth.com/data/formula.php?FormulaID=169 [2020-06-11]
3Jun­ge, Karl-Wil­helm und Hüb­ner, Gün­ter: Fo­to­gra­fi­sche Che­mie. Aus The­o­rie uns Pra­xis. 5. verb. Aufl. Leip­zig: VEB Fo­to­kino­ver­lag, 1989.
4http://silent1.home.netcom.com/Photography/Dilutions%20and%20Times.html#Parodinal [2007-09-29; nicht mehr da]
Alex Bish­op-Thorpe hat Qualls Re­zept ge­sich­ert: Film Developer Re­ci­pe: Pa­Ro­di­nal. On­line ver­füg­bar. ⁠ ⁠analoguelab.com.au/film-developer-recipe-parodinal/ [2020-06-11]
5⁠ ⁠flickr.com/groups/parodinal/ [2020-06-11]
6⁠ ⁠flickr.com/groups/53495661@N00/ [2020-06-11]
ahttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-10-04_Martin-Frech_Kodak-TMZ-in-Kaffee.html

Nach­trag:
Ich habe ei­nen wei­te­ren Film mit Caffe­nol ent­wick­elt und die Er­geb­nis­se auf­ge­schrie­ben: ⁠ ⁠Ko­dak TMZ in Kaf­feea.

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Film­ent­wick­lung in Kaf­fee«. In: Notizen zur Fotografie, 2007-09-30. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-09-30_Martin-Frech_Filmentwicklung-in-Kaffee.html
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Zitierempfehlung:
Frech, Martin: »Film­ent­wick­lung in Kaf­fee«. In: Notizen zur Fotografie, 2007-09-30. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-09-30_Martin-Frech_Filmentwicklung-in-Kaffee.html$1