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Notizen zur Fotografie

Jörg M. Colberg: »Conversations with Photographers«

Jörg M. Colberg, gelernter und promovierter Astrophysiker, ist der Macher von »Conscientious«, einem vielbeachteten Weblog zu zeitgenössischer künstlerischer Photographie. (1)

»Conscientious« existiert seit über neun Jahren. Seit etwa fünf Jahren publiziert Coolberg regelmäßig Interviews mit Photographen, etwa 90 sind inzwischen online. [Stand 2011-11-18]

Die meisten Interviews entstehen schriftlich, indem der Autor die Fragen per E-Mail an den Photographen schickt und, basierend auf den schriftlichen Antworten, ent­sprechend nachhakt. Dieser Form des Interviewens fehlt die Spontaneität von Gesprächen, sie geht dafür eher in die Tiefe, da der Gesprächspartner länger über seine Antworten nachdenken kann. Um diesen Aspekt zu betonen, nennt Jörg M. Colberg seine Interviews Conversations. Seltsam, da es sich ja gerade nicht um Gespräche handelt.

In diesem Jahr hat Colberg begonnen, ausgewählte Interviews auf Papier zu ver­öffentlichen. Als Mehrwert gegenüber der online-Version des jeweiligen Inter­views gibt es im Buch ergänzende Texte oder neu geführte Gespräche, die nicht online zugänglich sind.

Der erste Band der geplanten Reihe bringt Konversationen mit Brian Ulrich, Hellen van Meene und Christopher Anderson. (2)

Das Interview mit dem amerikanischen Photographen Ulrich ist von 2006, als Ergänzung gibt es ein weiteres Gespräch, das Colberg im März 2011 via Skype geführt hat. Beide Texte habe ich mit Interesse gelesen, da ich Brian Ulrichs Arbeiten seit langem sehr schätze (für meine Serie Eine Allegorie des Urbanen war ich ja in ähnlichen Einrichtungen unterwegs wie er für Copia).

Für mich überraschend, verbat sich die niederländische Künstlerin Hellen van Meene im Interview vom März 2011 Fragen zur Porträt-Photographie mit Photo­modellen; das seien nicht mehr ihre Motive, ein Ding von früher. Stattdessen erzählt sie, wie sie über das Photographieren von Hasen zu den Hunde-Porträts kam – nicht so meins, aber interessant.

Das Gespräch mit Christopher Anderson von 2009 kannte ich schon. Dessen »Film-«Buch Capitolio mit den Venezuela-Photos aus den Jahren 2004 – 2008 liegt schon lange auf meinem Schreibtisch und ich habe den Plan noch nicht aufgegeben, hier darüber zu schreiben. Im etwas kurz geratenen Interview-Nachtrag von 2011 redet Anderson über seine ebook- und Multimedia-Pläne.

Jörg M. Colbergs Idee, seine Interviews nun auch als Broschüren zu veröffentlichen, ist gut. Die Auswahl der Gesprächspartner im vorliegenden ersten Band spannt einen weiten Bogen künstlerischer Positionen. Die schmalen Bändchen im Post­karten-Format sind zurückhaltend gestaltet und zeigen keine Bilder – Text pur in einem portablen Format; die alte Reclam-Idee. Der Preis von $12,50 (inkl. Versand) ist noch in Ordnung.