Kunst – oder Medien­rummel/Publicity/Schwindel

Im Herbst letzten Jahres hat die Firma Hewlett Packard (HP) in Berlin eine »Hype Gallery« veran­staltet, organisiert von Publicis-Werbe­agenturen. Hype-Galerien sind durch klassische Werbung flankierte PR-Maßnahmen für HP. Entsprechende Veran­staltungen fanden schon in London, Paris, Moskau, Singapur, Mailand und Amster­dam statt.

Café Moskau (Berlin) | hype gallery (außen) (Foto: Martin Frech)
Café Moskau (Berlin) | hype gallery (Foto: Martin Frech, 11/2006)
Café Moskau (Berlin) | hype gallery (außen) (Foto: Martin Frech)

Bespielt werden die zu Beginn leeren Hype-Galerien mit Werken von »Jedermann«: eingereichte Bild­daten werden vor Ort großformatig aus­gedruckt und sofort an den nächsten freien Platz gehängt – sofern sie den Bedingungen ent­sprechen: der Werk­titel muß die Buch­staben »h« und »p« in dieser Reihen­folge enthalten und das Bild darf nicht »die normalen Maß­stäbe des Anstands verletzen«, also beispiels­weise keine »politisch kontro­verse Inhalte zeigen«) ¹. Ist die Galerie gefüllt, weichen die ältesten Bilder den neuen (fifo); zusätz­lich werden die Bilder im Internet ver­öffent­licht. Die Werke müssen nicht photo­graphisch her­gestellt sein, alle bild­erzeugenden Techniken sind erlaubt.

Café Moskau (Berlin) | hype gallery (innen) (Foto: Martin Frech)
Café Moskau (Berlin) | hype gallery (Foto: Martin Frech, 11/2006)
Café Moskau (Berlin) | hype gallery (innen) (Foto: Martin Frech)

Eine schöne Idee. Ich musste spontan an Dieter Hacker und Andreas Seltzer denken, die von 1971 bis 1985 in Berlin (West) die »7. Produzenten­galerie« zur Auseinander­setzung über die Funktion von Kunst betrieben und ab 1976 die Zeit­schrift »Volks­foto« heraus­gaben. Hacker/Seltzer träumten damals von einer »echten Welt­aus­stellung der Fotografie« ², die all die Bilder zeigt, »die in Schub­laden, Kästen und Alben aufbewahrt sind«. Ihr Problem war damals »die Spaltung in Professionelle und Amateure auf dem Gebiet der Foto­grafie«. Massen­wirksam veröffent­licht würden nur die Bilder der Profis, alles andere – das massen­haft gesehene und individuell entdeckte – bliebe geheim und damit »der gesell­schaft­lichen Wahr­nehmung und Kritik verborgen«. Die sechs »Volks­foto«-Ausgaben haben dem sicher ein Stück weit abgeholfen.

Die Hype-Galerien als weltweite Events erscheinen mir nun als die zeit­gemäße Fort­setzung von »Volks­foto« – kommerzialisiert und apolitisch (»hype« kann auch als »Schwindel« übersetzt werden). Das »Hype-Keyvisual« ist dem­entsprechend ein Einkaufs­wagen.

Hype Gallery im Café Moskau
Karl-Mary-Allee 34, Berlin
28. Oktober bis 18. November 2006


Fußnoten.
1http://www.hypegallery.de/; dort: about hype | faq | Können Arbeiten abgelehnt werden? [nicht mehr da]
2Volksfoto. Zeitung für Foto­grafie. Nr. 1 bis 6. Hrsg. von Dieter Hacker und Andreas Seltzer. Frankfurt/M.: Zweitausend­eins, 1981.
Zitierempfehlung (auch als BibTeX verfügbar):
Frech, Martin: »Kunst – oder Medien­rummel/Publicity/Schwindel«. In: Notizen zur Fotografie, 2007-01-17. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-01-17_Martin-Frech_Kunst-oder-Medienrummel-Publicity-Schwindel.html