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Skia Photography: Posterdruck de luxe

Martin Frech

Ist ein Handabzug vom Ne­ga­tiv – vom Pho­to­graphen selbst oder von ei­nem La­bo­ran­ten seines Vertrauens in der Dun­kel­kam­mer aus­ge­ar­bei­tet – vergleichbar mit ei­nem Druck vom di­gi­ta­li­sier­ten Ne­ga­tiv?
Nein, das sind zwei ver­schie­de­ne Dinge.

Im ersten Fall wird (kunst)hand­werk­lich ein Uni­kat auf direktem Weg vom Ka­me­ra-Ori­gi­nal­ne­ga­tiv erarbeitet; im prinzipiell gleichen Pro­zess wie das Ne­ga­tiv ent­steht das Po­si­tiv mit echten Halbtönen. Auch wenn mehrere Abzüge nach­ein­an­der an­ge­fer­tigt wer­den, ist jeder einzelne ein Uni­kat.
Im zwei­ten Fall wird das Ne­ga­tiv di­gi­ta­li­siert (in Bildpunkte zerlegt), der Datensatz bearbeitet, ge­ras­tert und in ei­nem an­de­ren Me­di­um mit simulierten Halbtönen ausgegeben. Über den di­gi­ta­len Umweg ent­ste­hen keine Unikate, höchstens be­lie­big viele Originale.

Unter der Über­schrift Schwärzeste Kunst erschien kürz­lich im Spiegel ein Text, dessen Autor Hilmar Schmundt diesen fun­da­men­ta­len Un­ter­schied übergeht und da­von schwärmt, wieviel besser doch ein Off­set­druck sein kann im Ver­gleich zum Barytabzug.⁠1
Der Artikel ist ein Werbetext für die Druckerei Benatzky (Han­no­ver) und den Re­pro­duk­tio­ner Dieter Kirchner (Berlin). Beide ar­bei­ten mit einer optimierten Prozesskette von der Re­pro­duk­tion über die Bild­be­ar­bei­tung bis zum Off­set­druck um eine höhere Ma­xi­mal­schwär­ze im Ver­gleich zum Standard-Off­set­druck zu erzielen. Ihre so gedruckten Bilder haben einen höheren Kon­trast­um­fang als im Bilderdruck üblich, dunklen Bild­be­rei­che sind besser dif­fe­ren­ziert.

Der Qua­li­täts­sprung wird mög­lich durch Ab­wei­chun­gen von üblichen Off­set­druck-Standards: spezielle ICC-Profile für einen ge­gen­über dem Standard erweiterten Farbraum, spezielle Druckfarben, ein höherer Farb­auf­trag beim Drucken und eine aus­ge­feil­te Druck­ma­schi­nen­tech­nik. Vor­aus­setzung ist na­tür­lich eine angepasste Re­pro­duk­tion der Vorlage.

Die Pro­t­a­go­nis­ten nennen ihr Ver­fah­ren High De­fi­ni­ti­on Skia Photography (HDSP) – ein anmaßendes Marketing-buzzword, hat das Ver­fah­ren doch gar nichts mit Pho­to­gra­phie zu tun. (Skia ist das griechische Wort für Schatten; William Henry Fox Tal­bot nannte seine Pho­to­gram­me sciagraphs.)

Mit HDSP kann eine Dichte von 3.0 erreicht wer­den – das sind beachtliche drei Blenden mehr als im Off­set­druck üblich; tra­di­ti­o­nel­le Abzüge aus der Dun­kel­kam­mer er­rei­chen eine Dichte von knapp 2.5, Tin­ten­strahl­dru­cke liegen dazwischen.

Der oben an­ge­sproche­ne Un­ter­schied zwi­schen hand­werk­li­cher Laborarbeit und dem Druck vom Datensatz wird au­gen­fäl­lig bei ei­nem Blick auf die Druck­tech­nik. Kirchner/Benatzki drucken auf einer Industrie-Ma­schi­ne (Speedmaster XL 162 von Hei­del­ber­ger), die für eine Druck­leis­tung von 15.000 Bogen pro Stunde aus­ge­legt ist.⁠2 Da ist es doch widersinnig, die Auflage aus markt­tak­ti­schen Gründen auf hun­dert Exemplare zu begrenzen.

Sinnvoll ge­nutzt ist das eine wun­der­bare Tech­nik zur Herstellung von Photobüchern oder Postern.
Dass Kenner für einen Off­set­druck dem Barytabzug abschwören, kann ich mir je­doch nicht vorstellen.


Fußnoten.
1Schmundt, Hilmar: Schwärzeste Kunst. In: Der Spiegel, Nr. 21 vom 18.05.2009, S. 126 – 127
download via: http://www.benatzky.de/images/Spiegel_Benatzky.pdf [2009-05-23; nicht mehr da]
2www.heidelberg.com/www/html/de/content/products/sheetfed_offset/70x100/speedmaster_xl_145_162,overview?breadCrumbUsed=true [2009-05-31; nicht mehr da]

Nachtrag:
Inzwischen wird der Artikel auch vom Spiegel online an­ge­bo­ten (HTML, Druck­ver­sion und pdf-Datei):
hier: wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=65414165 [2009-05-31; nicht mehr da]
und hier: www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,627308,00.html [2009-05-31, nicht mehr da]
Der Netzwelt-Text ist ge­gen­über der Druck­ver­sion leicht modifiziert, je­doch leider nicht ge­halt­vol­ler – im Ge­gen­teil; schon die Über­schrift »Neue Tech­nik zur Fo­to­ent­wick­lung« entlarvt den Autor.
In­te­r­es­sant ist je­doch die angebotenen Fotostrecke. Die Bilder 6, 7 und 8 zei­gen anhand von Aus­schnit­ten aus Manfred Hamms Bibliothèque Nationale De­tail-Vergleiche zwi­schen ei­nem Handabzug und ei­nem Kirchner-Druck.

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Skia Photography: Posterdruck de luxe«. In: Notizen zur Fotografie, 2009-05-23. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2009-05-23_Martin-Frech_Skia-Photography-Posterdruck-de-luxe.html
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Zitierempfehlung:
Frech, Martin: »Skia Photography: Posterdruck de luxe«. In: Notizen zur Fotografie, 2009-05-23. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2009-05-23_Martin-Frech_Skia-Photography-Posterdruck-de-luxe.html$1