Kodak Kodachrome (1935—2009)

Martin Frech

RIP Kodachrome

Kodachrome

I got a Nikon camera /
I love to take a photograph /
So Mama, don’t take my Kodachrome away.

Paul Simon

»Mama Kodak« gab am 22.06.2009 den Stopp der Produktion des Kodachrome-64-KB-Films und damit das Aus von Kodachrome bekannt.⁠1 Das war das vor­her­seh­ba­re Ende eines langen Abschieds. Der Rollfilm wird schon seit 1996 nicht mehr her­gestellt, Kodachrome 25 starb 2002, Kodachrome 40 (als Super-8-Film) ging 2005 von uns und Kodachrome 200 wurde 2006 aufgegeben (alle zur Entwicklung im K-14-Prozess; die Kodachromes vor 1974 wurden anders entwickelt).

Ebenso vor­her­seh­bar geht wieder ein Jammern durch die Feuilletons und blogs die­ser Welt. Doch wenn alle, die jetzt klagen, fleißig Kodachrome-Dias photo­graphiert hätten, würden wir nächstes Jahr wahrscheinlich den 75. Geburtstag die­ser Ikone feiern.
Denn warum stoppt Kodak die im Prinzip seit 1935 laufende Produktion? Aus demselben Grund, aus dem es keine Kodak-Schwarzweiß-Fotopapiere und keine Po­la­roid-Materialien mehr gibt, aus demselben Grund, warum ich nicht mehr auf Agfa-RSX photographieren und auf Agfa-MCC vergrößern kann usw: es lohnt sich für die Firmen nicht mehr, der Markt ist zu klein geworden. Ein Prozent des Film­umsatzes der Firma kam zuletzt von den Kodachrome-Filmen; weltweit entwickelt nur noch ein Labor dieses Material.
Dass Kodak an diesem Niedergang auch eine Mitschuld trägt, sei hier je­doch nicht verschwiegen! Andererseits brachte die Firma in den vergangenen Jahren auch neue bzw. verbesserte Materialien auf den Markt und verspricht, weiterhin am Film-Markt interessiert zu sein – allerdings auf Kosten der Vielfalt.
Kodachrome ist ein kompliziertes Material – bei der Rezeptur, beim Guss und im Entwicklungslabor; Synergieeffekte in Ver­bin­dung mit der Produktion anderer Materialien sind nicht möglich.

Der American Way of Life: Meine Tante mit meinem Cousin
(Kalifornien, 1968; Repro des Kodachrome-Dias; Foto: priv.)

Neben unzähligen Familienbildern wurden bekannte Werke der Photogeschichte auf Kodachrome auf­ge­nom­men: sei es Abraham Zapruders Film von Kennedys Ermordung 1963, Ernst Haas’ New-York-Bilder (Haas fand überhaupt erst mit Koda­chrome zur Farbphotographie)⁠2 oder Steve McCurrys Por­trait des Afghanischen Flüchtlingsmädchens, das 1985 als National-Geographic-Titelbild veröffentlicht wurde. Aber auch unzählige Meter Schmalfilm, die durch meine Kameras ratterten waren Kodachrome; so war ich einer der letzten Kunden, bevor Kodak 2006 die Filmentwicklung in der Schweiz schloss.

Meine letzten Kodachrome 40 Super-8-Filmkassetten in den Entwicklungsbeuteln (Juli 2006)

Steve McCurry wird im Kodak-Auftrag die letzten Rollen Kodachrome-KB-Film für das Firmenmuseum belichten. Welch ein Auftrag! Stellen Sie sich vor, Sie haben die letzte Rolle Kodachrome in Ihrer Kamera – was würden Sie aufnehmen?
Ich jedenfalls würde – mit meiner Nikon-Kamera (s⁠.⁠ ⁠o⁠.) – meine Familie porträtieren und ab­schlie­ßend Paul Simon zu einer Sitzung bitten.
Hallo Kodak ...?
Ich kenne diese Situation. Eine kleine Auswahl gefällig? 127er-Diafilm (gab’s sogar mal als Kodachrome), Plus-X-110er-Kassetten, 4 × 5″-Agfa-Scala, Kodak-Disc (ja, die Kamerabatterie funktioniert noch), Agfachrome 50 S, Kodak HIE usw. usf.

Die entwickelten Kodachrome 40 Super-8-Filme sind zurück (Aug. 2006)

Die Kodachrome-Technik

Die Schichten des Kodachrome-Films enthalten im Gegensatz zu an­de­ren Farb­filmen keine Farbkuppler.⁠3,⁠4 Mit der Belichtung werden tat­säch­lich RGB-Farbauszüge in drei Schwarzweiß-Bildern auf­ge­nom­men. Erst durch die Ent­wicklung wird daraus ein Farb-Dia.
Durch die fehlenden Farbkuppler ist die Schicht des Kodachrome deutlich dünner als die anderer Farbfilme und der Kodachrome daher prinzipiell schärfer. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass auch lange überlagertes Material meist noch gute Ergebnisse liefert.

Im Grundaufbau besteht der Kodachrome-Film aus vier Schichten:

  1. blauempfindliche Schicht
  2. Gelbfilter
  3. blau-grün empfindliche Schicht – Wegen des Gelbfilters wird je­doch nur grün auf­ge­nom­men.
  4. rotempfindliche Schicht

Kodachrome-Filme werden im Prozess K-14 entwickelt. Wer schon Schwarzweiß-Ne­ga­tive zu Dias umentwickelt hat, kennt das Prinzip. Wegen der drei Schichten, benötigt man hier drei Zwischenbelichtungen, an die sich jeweils die ent­spre­chen­de Farbentwicklung anschließt.

Ablauf der Kodachrome-Entwicklung (K-14):

  1. Entfernen der Lichthofschutzschicht
  2. sw-Erstentwickler (Die spektrale Emp­find­lich­keit jeder Schicht bleibt erhalten!)
  3. Blichtung mit rotem Licht durch die Trägerseite
  4. Farbentwicklung der Rot-Schicht zum Cyan-Bild
  5. Belichtung mit blauem Licht von oben (Der Gelbfilter ist noch vor­han­den und schützt die blau-grün-empfindliche Schicht.)
  6. Farbentwicklung der Blau-Schicht zum Gelb-Bild
  7. Die Grün-Schicht wird chemisch »be­lich­tet« und zum Magenta-Bild farbentwickelt.
  8. bleichen, fixieren, wässern usw.

Die Entwicklungsanlagen sind ent­spre­chend kompliziert und aufwendig in der Hand­habung. Lange Zeit hat Kodak die Entwicklung daher exklusiv angeboten – die Filme wurden üblicherweise nur mit Entwicklungsgutschein verkauft. Zuletzt wurde dieses Geschäft je­doch an Dwayne’s Photo in Kansas/USA abgegeben, die nunmehr das weltweit einzige K-14-Entwicklungslabor betreiben. Dwayne’s wird die K-14-Entwicklung je­doch schon Ende 2010 einstellen.⁠5

Soweit dazu.

Nun werde ich zur Entspannung die Vinyl-Single mit Paul Simons Lied auflegen, ein altes Rundmagazin aus dem Schrank nehmen und in Ruhe ein paar Dias gucken.


Fußnoten.
1KODACHROME Discontinuation Notice: www.kodak.com/eknec/PageQuerier.jhtml?pq-path=15359&pq-locale=en_US [2009-06-24; nicht mehr da]
2Ein Pionier der Farbe. In: Die Farbe. Time-Life Int., 1978 (= Life Die Pho­to­gra­phie) S. 129-166
3Processing Steps. Processing Kodachrome Film. www.kodak.com/global/plugins/acrobat/en/service/Zmanuals/z50_03.pdf [2009-06-24; nicht mehr da]
4Marchesi, Jost J.: Handbuch der Fo­to­gra­fie. Band 3. 2. überarb. Aufl. Gilching, Verlag Pho­to­gra­phie, 2005. S. 129 ff.
5⁠ ⁠www.dwaynesphoto.com [2009-06-24; 2020-06-20]

Nachtrag Nov. 2010

Kurz bevor auch Dwayne’s die K-14-Entwicklung einstellte, belichtete auch ich meine letzten Kodachrome-Dias.

Meine Restbestände (Nov. 2010)
Meine letzten Kodachrome-Dias auf der Leuchtplatte (Dez. 2010)
Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Kodak Kodachrome (1935—2009)«. In: Notizen zur Fotografie, 2009-06-25. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2009-06-25_Martin-Frech_Kodak-Kodachrome-1935-2009.html
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Zitierempfehlung:
Frech, Martin: »Kodak Kodachrome (1935—2009)«. In: Notizen zur Fotografie, 2009-06-25. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2009-06-25_Martin-Frech_Kodak-Kodachrome-1935-2009.html$1